„Wie bei vielen Wildtierarten hat sich durch unsere intensiv genutzte Kulturlandschaft auch der Lebensraum des Rotwilds massiv verändert. Während der Rothirsch ursprünglich in offenen Landschaften unterwegs war, wurde er durch die dichte Besiedlung durch den Menschen und die Landwirtschaft in den Wald zurückgedrängt. Im Wald bestehen jedoch zugleich zahlreiche Nutzungskonkurrenzen mit der Wald- und Forstwirtschaft. Deshalb wurden in Baden-Württemberg per Verordnung 5 Rotwildgebiete ausgewiesen, um die Interessen von Rotwild, Forst- und Waldwirtschaft bestmöglich zu vereinbaren.“
Aktuelle Studien werfen jedoch die Frage auf, ob die Populationen in derartigen Gebieten zu sehr voneinander isoliert sind und noch ein hinreichender genetischer Austausch innerhalb und zwischen den Populationen gegeben ist. Inzucht ist das Gegenteil der genetischen Vielfalt und hat verheerende Auswirkungen: Genetische Defekte, Krankheiten, Rückbildungen, verminderte Fortpflanzungsfähigkeit und mangelnde Anpassungsfähigkeit an Umwelt oder geänderte Lebensbedingungen. Letztlich kann das zum Aussterben der ganzen Art führen. „Auch wenn sich diese Studien nicht speziell auf Baden-Württemberg beziehen, beunruhigen mich die Ergebnisse. Eine hinreichende genetische Vielfalt innerhalb einer Art ist unabdingbarer Bestandteil für die Artenvielfalt und die Biodiversität“, erklärt Sarah Schweizer.
Fachgespräch mit Experten zur Bewertung der Lebensverhältnisse von Rotwild geplant
Im Interesse der Artenvielfalt müsse nun zügig bewertet werden, wie es um die Lebensverhältnisse des Rotwilds in Baden-Württemberg steht und ob wir die Lebensumstände des Rotwilds in unserer Kulturlandschaft unter Berücksichtigung wald-und forstwirtschaftlicher Belange weiterentwickeln müssen. Dazu will die CDU-Fraktion zeitnah mit allen beteiligten Akteuren aus Wissenschaft, Jagd, Forstwirtschaft, Naturschutz und Behörden im Rahmen eines Fachgesprächs in einen intensiven Austausch treten. „Geplant ist außerdem ein Besuch im Rotwildgebiet Südschwarzwald, um gemeinsam mit der Forstwirtschaft und Vertretern der Jägerschaft einen Eindruck über die Bewirtschaftung und Konfliktlinien vor Orte zu gewinnen. Klar ist: Wir brauchen vor allem gemeinsame und für alle Seiten tragbare Lösungsansätze – dies geht nur über einen engen und sachlichen Austausch. Mit der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg haben wir hier einen starken und renommierten Partner an unsere Seite, der erst kürzlich mit dem Praxisratgeber Waldumbau und Jagd wichtige Impulse geliefert hat.“, so Sarah Schweizer.
Weitere Informationen zum Thema:
Wildbiologen des Arbeitskreises Wildbiologie der Justus-Liebig-Universität Gießen hatten bereits vor drei Jahren festgestellt, dass bei untersuchten Rotwildpopulationen in Hessen ein zu geringer bzw. kein genetischer Austausch stattfindet. In diesem Zusammenhang wurde im Jahr 2018 das erste Tier mit einem verkürzten Oberkiefer identifiziert. In einer neuen Veröffentlichung unterstreichen die Wissenschaftler ihre Ergebnisse. In Hessen konnten demnach in mittlerweile drei Rotwildbezirken Tiere mit Anzeichen einer Inzuchtdepression entdeckt werden. Eine vom Deutschen Jagdverband, dem Landesjagdverband Sachsen-Anhalt und weiteren Verbänden geförderte Studie der Universität Göttingen, bei der 34 Rothirsch-Vorkommen im gesamten Bundesgebiet durch die Auswertung von über 1.100 Proben untersucht wurden, verdeutlicht die Inzucht-Problematik und den Appell aus Hessen: Nur zwei Vorkommen erreichen eine genetisch-effektive und vor Inzucht schützende Populationsgröße von mehr als 500 Tieren
(Informationen dazu auch unter https://www.landesjagdverband.de/detail/artikel/rotwild-in-deutschland-von-inzucht-bedroht/a/detail/c/News/). Auch in der Studie des Göttinger Wildtierinstituts wird der mangelnde bzw. fehlende genetische Austausch zwischen Rotwildpopulationen und dessen gravierende Folgen deutlich.
(Informationen dazu auch unter https://www.landesjagdverband.de/detail/artikel/rotwild-in-deutschland-von-inzucht-bedroht/a/detail/c/News/). Auch in der Studie des Göttinger Wildtierinstituts wird der mangelnde bzw. fehlende genetische Austausch zwischen Rotwildpopulationen und dessen gravierende Folgen deutlich.