Stuttgart – Die Enquetekommission „Krisenfeste Gesellschaft“ setzte am Freitag (13.10.2023) im Stuttgarter Landtag das Handlungsfeld „ökonomische Aspekten von Krisen“ fort. Bei den Sachverständigen standen die „Auswirkungen akuter Krisen auf wirtschaftliche Zusammenhänge“ im Mittelpunkt.
Dr. Matthias Voelkel, Vorstandsvorsitzender der Vereinigung Baden-Württembergische Wertpapierbörse e.V. sowie CEO der Börse Stuttgart, schilderte die Herausforderungen für die Kapitalmärkte. Die Gruppe Börse Stuttgart ist die sechstgrößte Börsengruppe in Europa mit strategischen Standbeinen im Kapitalmarktgeschäft sowie im Digital- und Kryptogeschäft und als solche – das betonte Völkel ausdrücklich – als Teil der kritischen Infrastruktur anzusehen. Mit praktischen Beispielen belegte Völkel, dass die Kapitalmarktunion auf EU-Ebene voranzutreiben ist, denn nur so könnten große Unternehmen am Finanzplatz Europa gehalten werden. Andernfalls würden sich zwangsläufig Abwanderungen ergeben, so Völkel, denn mittelfristig würde der Unternehmenssitz der Finanzierungsquelle folgen.
Die stv. CDU-Obfrau Dr. Natalie Pfau-Weller MdL stellt in Bezug auf den packenden Vortrag fest: „Der Hinweis auf die Bedeutung des europäischen Kapitalmarkts war ein wichtiger Impuls. Überzeugt hat mich aber insbesondere das zusammenfassende Fazit von Herrn Dr. Völkel: Wir müssen gucken, dass wir hier in Bezug auf Transformation und Krisenfestigkeit ein Beispiel geben, dem andere Länder dann auch folgen wollen.“
„Auswirkungen akuter Krisen auf wirtschaftliche Zusammenhänge“ in der Breite bedenken
Prof. Dr. Burkhard Pedell, Inhaber des Lehrstuhls für Controlling und stv. Wissenschaftlicher Direktor des Zentrums für interdisziplinäre Risiko- und Innovationsforschung (ZIRIUS) der Universität Stuttgart, betonte die Wichtigkeit von Agilität für die Krisenfestigkeit. Organisationale Resilienz sei die Fähigkeit einer Organisation, mit unerwarteten und existenzbedrohenden Ereignissen und Entwicklungen auf eine robuste und adaptive Art und Weise umzugehen. Die Herausforderung und die Kunst sei es dabei, daraus Kompetenzen aufzubauen, welche auch die Wettbewerbsfähigkeit der Organisation erhöhen. Das aus der Energiewirtschaft kommende Kommissionsmitglied Dr. Christoph Müller hob hervor: „Es hat sich wieder das betriebswirtschaftliche Paradoxon von Resilienz gezeigt: Die Kosten der Herstellung von Resilienz sind konkret, die Erträge zeigen sich nur im Krisenfall, insofern am besten nie. Im Krisenfall bereut man aber jeden bei der Resilienz eingesparten Euro. Vor diesem Hintergrund halte ich gerade für kleine und mittlere Unternehmen staatliche Unterstützungsprogramme, zum Beispiel im Bereichen wie Cybersecurity, für dringend empfehlenswert.“
Dr. Roman Glaser vom Genossenschaftsverband Baden-Württemberg stellte die breiten Einsatzmöglichkeiten des Genossenschaftsmodells dar. Es gebe viele erfolgreiche genossenschaftliche Modelle in der Daseinsvorsorge insbesondere in Bereichen wie Landwirtschaft, Energie, medizinischer Versorgung und hochqualitativen Finanzdienstleistungen unmittelbar vor Ort. Insbesondere der Erhalt der lokal verbundenen genossenschaftlichen Finanzstruktur bedürfe des Einsatzes des Landes für den langfristigen Erhalt des dreigliedrigen Bankensystems auf allen politisch dafür relevanten Ebenen. Dies sichert wie keine andere Maßnahme die finanzwirtschaftliche Versorgung der lokalen Wirtschaftsunternehmen wie der Bürgerinnen und Bürgern vor Ort.
Für die CDU-Abgeordnete Natalie Pfau-Weller ist klar: „Uns ist das Bekenntnis zur regionalen Landwirtschaft sehr wichtig, um die Versorgungssicherheit der Bevölkerung durch Produktion vor Ort auch in Krisenzeiten zu gewährleisten. Gerade vor dem Hintergrund wechselnder Krisenszenarien müssen unsere Bevölkerung und unsere Wirtschaft sicher schnell und ausreichend mit (lebens-)notwendigen Waren, medizinischem Material und Energie versorgt werden können. Genossenschaftsmodelle werden dabei auch weiterhin eine gewichtige Rolle spielen und verdienen daher unsere Unterstützung.“
Hintergrund:
Die Enquetekommission „Krisenfeste Gesellschaft“ soll für vier Handlungsfelder Empfehlungen erarbeiten, die das Ziel haben, das baden-württembergische Gemeinwesen für die Zukunft resilienter und krisenfester aufzustellen. Dabei soll sie sich insbesondere auf die Erarbeitung solcher Handlungsempfehlungen konzentrieren, die ihre Wirkung im Zeitraum nach Abschluss ihrer Tätigkeit entfalten können, auf Landesebene umsetzbar sind und den Fokus auf die Umstände von Krisen setzen.