Anhörung im Landtag: Was macht zukunftsfähige Denkmalpolitik aus?
Stuttgart. Zum ersten Mal überhaupt luden die Regierungsfraktionen – unter Federführung von Barbara Saebel MdL (GRÜNE) und Tobias Wald MdL (CDU) – gemeinsam zu einer Anhörung zum Thema Denkmalpolitik Anfang dieser Woche (26. September 2022) in den Landtag. Impulse setzten fünf Referate und Vorstellungen aus den verschiedenen Bereichen des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege, danach wurde mit großem Fachpublikum intensiv diskutiert. Die aktuellen Herausforderungen im Denkmal mit Klimaschutz, erneuerbaren Energien und energetischer Sanierung als Antwort auf die Klima- und Energiekrise umzugehen, prägte viele Beiträge. Lob gab es für diese erste landesweite Gelegenheit zu Austausch und Vernetzung im Denkmalbereich.
Nutzung von Denkmalen ist schon Klimaschutz
Ministerialdirektor Dr. Christian Schneider vom Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen betonte angesichts von Preissteigerungen und Lieferengpässen den Wert der Ressource Baustoff, der beim Denkmalerhalt aufgrund der Reparierbarkeit vorbildhaft umgesetzt werde, wie sich auch im 2022 neu aufgelegten Sonderprogramm „Wohnen im Kulturdenkmal“ zeige. Zudem setze man mit neuen Leitlinien zur Genehmigung der Installation von Solaranlagen auf denkmalgeschützten Gebäuden die Ziele des geplanten neuen Klimaschutzgesetzes bereits jetzt schon um. Die Architektin Cornelia Haas von der Firma sutter3 aus Freiburg stellte Projekte vor, bei denen Ortskernsanierungen ökologisch, effizient und wirtschaftlich umgesetzt werden. Inwiefern die sinn-volle Nutzung eines Denkmals der beste Denkmalschutz sein kann, erläuterte der Projektentwickler, Architekt und Bauträger Jürgen Grossmann aus Neuried. Zimmermann Bernd Jäger von der JaKo-Baudenkmalpflege erläuterte am Beispiel des Energieareals Walddorfhäslach, wie Denkmale und Neubauten über das Zusammenspiel energieau-tark werden können. Abschließend referierte Edith Marqués Berger von der Klimaagentur Pforzheim über ihr Netzwerk „Fachpartner Denkmalpflege und Fachwerk in Enz-kreis“, in dem sich Bauherren, Handwerker, Architekten und Denkmalbehörden über gute Denkmalsanierungen austauschen.
Neue Impulse für die Politik
In der sich anschließenden Anhörung wurden die Ausgestaltung und Umsetzung von Förderprogrammen sowie die Behördenstruktur thematisiert. Die Rolle der Landesbauordnung (LBO) mit Blick auf den Denkmalschutz und die Frage nach mehr oder weniger Leitlinien bis hin zur Möglichkeit der Einrichtung einer Clearingstelle beschäftigten das Fachpublikum in weiteren Beiträgen. Nachwuchsförderung in den vielfältigen Berufsfeldern im und um den Denkmalschutz, ob im Handwerk, im wissenschaftlichen Bereich oder im öffentlichen Dienst wurde als gemeinsame Aufgabe genannt. Für die federführenden Abgeordneten, Barbara Saebel MdL und Tobias Wald MdL, ergaben sich somit zahlreiche Impulse für die weitere politische Arbeit.
Zitate:
Der Wohnungspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Tobias Wald MdL, griff das Motto eines Referenten der Anhörung auf: „Die sinnvolle Nutzung eines Denkmals ist der beste Denkmalschutz. Nur wenn denkmalgeschützte Gebäude einer zeit-gemäßen Nutzung zugeführt werden können, ist ihre Zukunft gesichert. Denkmalschutz und Denkmalpflege sollen Kulturdenkmale vor vermeidbaren Veränderungen schützen, um sie als authentische Zeugnisse der Vergangenheit und identitätsstiften-de Bauwerke zu erhalten. Gleichwohl ist immer wieder neu auszutarieren, wie viel Veränderung für eine zukunftsfähige Nutzung erlaubt sein muss. Hinzu kommt, dass jeder Erhalt und jede Modernisierung eines denkmalgeschützten Gebäudes Klimaschutz im besten Sinne ist, da bei einem Neubau sehr viel CO2 anfallen würde.“
Der Sprecherin für Denkmalschutz und Kulturerbe der Grünen-Landtagsfraktion, Barbara Saebel, ist ein ganzheitlicher Blick auf den Denkmalschutz wichtig: „Wenn wir Ortsbilder erhalten wollen, müssen wir Quartiere und Ortskerne als Ganzes denken wie im Sanierungsgebiet in Sulzburg in Südbaden. Im Zusammenspiel zwischen alt und neu können Energieareale entstehen wie in Walddorfhäslach, wo PV, Geothermie, Energiespeicher im Denkmal, Tages- und Nachtnutzung sich ergänzen. Gute Lösungen entstehen, wenn im Netzwerk aus Eigentümern, Architekten, Handwerkern, Energieberatern und den Denkmalbehörden Erfahrung und Expertenwissen zusammenkommen wie im Enzkreis. Notwendig ist aber auch in der Ausbildung die Schönheit, Ge-schichte und Nachhaltigkeit unseres kulturellen Erbes herauszustellen. Denn Reparierbarkeit, Regionalität und Handwerkskunst sind althergebrachte Werte und gleich-zeitig zukunftsweisende Antworten auf aktuelle Fragen. Der Dialog auf Augenhöhe ist oft der Schlüssel für eine denkmalgerechte, aber auch wirtschaftliche neue Nutzung des alten Gebäudes.“
Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU-Landtagsfraktion, Christine Neumann-Martin MdL, betonte: „Baden-Württemberg ist ein Land mit reicher Vergangenheit und unzähligen Baudenkmälern. Dabei geht es nicht nur um Schlösser, Burgen und Kirchen, sondern auch um die alte Scheune, das Fachwerkhaus und um Funktionsgebäude, die in den letzten zweihundert Jahren dazu gekommen sind. Seit Jahr-zehnten kennen wir deshalb den Spagat zwischen Erhaltung und moderner Nutzung. Das nötigt dem Denkmalschutz, aber auch gerade den Eigentümern oft Kompromisse ab.“
Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen-Landtagsfraktion, Cindy Holmberg MdL, ist sich sicher: „In Denkmälern steckt großes Potenziale – nicht nur, was das Heimatgefühl angeht, sondern auch beim Klimaschutz. Es ist kein Widerspruch, denn Denkmalschutz ist nachhaltig: Es spart wertvolle Ressourcen, wenn man saniert, repariert und erhält. In Baden-Württemberg denken wir deshalb den Denkmalschutz zusammen mit dem Klimaschutz und machen den Weg frei für PV-Anlagen auf Denkmälern. So verknüpfen wir die Geschichte mit der Zukunft, den Denkmalschutz mit dem Klimaschutz.“